Ivone Gebara

Donnerstag nach Ostern. Mein Osterlicht brennt. Christine und Paula haben mir eine wunderschöne Kerze geschenkt. Ein prächtiger Schmetterling auf dem leuchtenden Wachs der Bienen und darunter mein Name in Goldbuchstaben. Das Geschehen zu Ostern – Auferstehung - trägt also meinen Namen und Deinen und unser aller Namen. 

 

Die Blätter mit einem Referat von Doris Strahm über Ivone Gebara*, der südamerikanischen Theologin, hab ich wieder hervorgeholt. Gebaras Sicht von Auferstehung als Lebenspraxis hier und heute; nicht nur als innerstes Geschehen in der Jesusbewegung und in den Evangelien, spricht mich an. Das Reich Gottes als Auferstehungskonzept, wie eindrücklich.

 

*Das Evangelium ist die Geschichte der Jesusbewegung; es ist eine Sammlung von Geschichten, die von Auferstehungshandlungen erzählen, d.h. von Handlungen, durch die Menschen auf unterschiedlichste Weise zu neuem Leben aufstehen.

 

Ihre Lehre von Christus ist im besonderen Blick auf die Schöpfung, die Menschen am Rande und die unterdrückten Frauen zu lesen. Nach einem zweijährigen Rede und Schreibverbot 1995 musste sie Brasilien für ein Jahr verlassen und in Europa »richtige Theologie« studieren. Zurückgekehrt, hat sie weiterhin in Universitäten gelehrt, in Frauengruppen gearbeitet und war als Mitarbeiterin des Ökumenischen Zentrums tätig. Mit der Erfahrung der Armut von Frauen in Lateinamerika und der ökologischen Krise sieht sie ihren Auftrag darin, für die Unterdrückten einzustehen, die kein erfülltes Leben führen können und allen patriarchalen Systemen ein Ende zu setzen, das Leben zerstört und ausbeutet. Ökofeminismus und christliche Theologie bringen auch ein neues Verständnis des Göttlichen. Ein Gottesbild, das Gott als allmächtige, unabhängige, autonome und unveränderbare Person versteht, hat keinen Platz in diesem Denken und Glauben. 

 

* ... und wenn dann plötzlich klar wird, dass die Macht von oben in Wirklichkeit nur von unten kommt, was geschieht dann? Wenn Gott seinen Platz wechselte und wir glaubten, dass er/ sie/ es, diese geheimnisvolle Kraft, mitten unter uns wohnte und in allem, was lebt?

 

Es geht ihr um ein neues Menschenbild, in dem Mann und Frau Offenbarende des Göttlichen sind. Es geht auch um eine neue Sicht des Körpers, der Ausgangspunkt der Theologie werden muss – als Zentrum aller Beziehungen, als Ort des Gottesreiches und seiner Zeichen, als Ort der Auferstehung. 

 

*Auferstehung, verstanden als Bejahung des fundamentalen Wertes des Lebens in all seinen Dimensionen….

 

So beschreibt Gebara auch die Auferstehungserfahrungen armer Frauen, die ihren Wert und ihre Würde wiederentdecken, ihre Wurzeln, ihre Geschichte, ihr Denken und Fühlen annehmen und bejahen lernen. 

Auferstehungspraxis habe auch mit dem Erkennen und Entdecken der hellen und schönen Seiten unseres Lebens zu tun und es liege an uns, der guten Nachricht in unserem Alltag Raum zu geben. Im Feiern, im gemeinsamen Essen, in einer Umarmung oder zärtlichen Geste ...

Das Osterlicht erinnert. Es trägt auch unseren Namen. 

Elisabeth Schwendinger

 

aus: Doris Strahm | Ökofeminismus – eine Spiritualität des Lebens | zur Theologie von Ivone Gebara – Referat in der Zürcher Paulus Akademie vom 5. und  6. März 1999

Doris Strahm hat sich mit Theologinnen und Frauen aus Asien, Afrika und Lateinamerika über ihre Spiritualität, ihren Glauben und ihre Sicht auf die Welt auseinandergesetzt und so ihre Christologie aus den Ländern des Südens und Ostens mit uns geteilt. Zu lesen in ihrem Buch: Vom Rand in die Mitte | Christologie aus der Sicht von Frauen in Asien, Afrika und Lateinamerika, Edition EXODUS 4 | Theologie in Geschichte und Gesellschaft