Jerusalem

 

Ein sonniger, kühler Morgen in den Blütenbäumen und 

unaufhaltsam spriessendes Grün vor meinem Fenster.

Die Arbeit häuft sich. Wie weiter mit allem? 

Meine Ostermorgenfrauen sind noch in Jerusalem.

Waschen, kochen, laufen in Eile durch die Gassen,

mit der Sprachlosigkeit des zerstörten Tempels im Leib 

und dem Hohelied, das verloren scheint. 

Sehnsuchtsort Jeruschalajm. Al Qudds, die Heilige. 

Hinter der Mauer leuchtet die goldene Kuppel.

Rose Ausländers Herzschaukel.* Mit ihr in den Tag. 

Meinen Schal nicht vergessen und das Spiel in der Luft.

Elisabeth Schwendinger

 

 

 

 

 

 

Wenn ich den blauweißen Schal

nach Osten hänge

schwingt Jerusalem herüber zu mir

mit Tempel und Hohelied 

Ich bin fünftausend Jahre jung

Mein Schal

ist meine Schaukel

Wenn ich die Augen nach Osten

schließe

schwingt Jerusalem auf dem Hügel 

fünftausend Jahre jung

herüber zu mir

im Orangenaroma

Altersgenossen

wir haben ein Spiel

in der Luft   

Rose Ausländer 

* aus meiner Gedichte Sammlung