Der Ahornbaum im Garten steht im schönsten Frühlingskleid. Klein und zart seine Blätter, sie sprießen im hellen Grün.
Beim Esel war ich stehen geblieben. Inzwischen treffen bunte Ostergrüße ein über WhatsApp und Signal. Keine Osternacht in der Kirche, kein Einladen dürfen. Abstand halten auch im Garten. Noch immer liegen Josef Kopfs Gedichte auf meinem Tisch. Seine wunderbaren Sprachbilder führen in die Stille.
… wenn leise einstürzen
die goldenen ränder der welt
Karfreitag und das wehe lautlose Fehlen danach. Das Erschrecken der Frauen in aller Frühe, wie sie vergeblich nach dem Leichnam ihres Geliebten, dem Sohn und Freund suchen.
Der Salbungsstein beim Eingang der Grabeskirche erinnert an diesen Morgen. Er ist getränkt vom süßen Duft der Öle, mit denen Pilgerinnen und Pilger aus aller Welt dem Gekreuzigten ihre Liebe bekunden. Er atmet die Wärme und Sanftheit unzähliger Hände. Eine Muslima legt ihre Stirn auf den Stein und flüstert ganz leise „oh feel, so soft“ .
Es ist dunkel geworden. Die kleine Osterkerze leuchtet auf meinem Tisch. Das Einstürzen der goldenen Ränder der Welt könnte als Überschrift der Nachrichten dienen in diesen Tagen. Die Zeile über das Bild unserer Erde als Schattenblume im Fluchtgestirn Liebe beschäftigt mich.
aber wer wird spielen
schwarze Harfe des Frühlings
gekrönt werden
von den eisbogen deiner braun
wenn leise einstürzen
die goldenen ränder der welt
unser stern eine schattenblume wird
im fluchtgestirn liebe *
Welche Harfe spielen wir in diesen Frühling? Du und ich?
In den Osterevangelien hören wir »Freut euch … ängstet euch nicht … geht ...«
Mit einem frohen Herzen weiter gehen, das wünsche ich uns allen.
Elisabeth Schwendinger
* Joseph Kopf, aus: das geöffnete schneeblatt | gesammelte Gedichte II