Liebe Schwestern und Brüder!
Mit Jesus beginnen wir die 40-tägige Vorbereitungszeit auf Ostern in der Wüste. Auch wenn, geographisch gesehen, die Wüste von uns weit weg ist, so kennen wir Wüstenerfahrungen vermutlich alle.
Zum Beispiel, wenn wir mit einem Problem ganz allein zurechtkommen müssen und uns dabei hilf- und orientierungslos sind. Wenn wir uns einsam fühlen und uns die ungewisse Zukunft mit Sorgen
erfüllt. Oder wenn wir innerlich auszutrocknen drohen, weil wir im Hamsterrad des Alltags nicht zur Ruhe kommen.
Eine solche Wüstenzeit kann aber auch zur Gotteszeit werden. Dann nämlich, wenn diese Erfahrung, wie bei Jesus, durch Versuchungen hindurch zu einer tieferen Erkenntnis führt und ich gestärkt
werde im Vertrauen auf Gott und im Wissen um meine Lebensaufgabe. Ich bin mir sicher, dass diese Sehnsucht viele Menschen im Herzen tragen: die Wüsten des eigenen Lebens – Angst, Trauer,
Krankheit, Kränkungen, Schuld – für Gott zu öffnen. Eines kann uns dabei besonders helfen: die große, unbändige Kraft der christlichen Hoffnung.
Was dürfen wir hoffen?
Das Christentum selbst ist aus einer Bewegung der Hoffnung entstanden. Zum Ursprung dieser Hoffnung machen wir uns in der Fastenzeit wieder neu auf: Die Auferstehung Jesu, sein Sieg über den Tod,
ist die Geburtsstunde der Hoffnung. Dabei ist es erstaunlich, dass Jesus selbst das Wort Hoffnung kein einziges Mal verwendet hat und es auch in den Evangelien gänzlich fehlt. Doch schon in den
ersten Christengemeinden sehen wir, wie die Hoffnung nach und nach neben dem Glauben und der Liebe zu einem zentralen Merkmal christlichen Lebens wird. Schließlich wird sogar Gott selbst „Gott
der Hoffnung“ genannt (Röm 15,13). Gott ist, wie Papst Benedikt schrieb, „das Fundament der Hoffnung – nicht irgendein Gott, sondern der Gott, der ein menschliches Angesicht hat und der uns
geliebt hat bis ans Ende: jeden einzelnen und die Menschheit als ganze.“ (Benedikt XVI., Spe salvi 31) Gott kennenzulernen und ihm im Gebet zu begegnen, bedeutet daher auch, Hoffnung zu
empfangen.
Ich möchte Euch einladen, in dieser Fastenzeit die hoffnungsvolle Kraft unseres Glaubens neu zu beleben. Wer Hoffnung hat, lebt anders. Menschen, in denen Hoffnung neu aufkeimt, setzen auf die
Stärke der Zuversicht gegenüber allem Scheitern und aller Mutlosigkeit. Sie vertrauen auf die Kraft von Frieden und Versöhnung gegenüber jeder Form von Aggression und Gewalt. Und nicht zuletzt
wissen sie, dass auch im Scheitern ein Neubeginn immer möglich ist.
Hoffnung entzünden
Anderen Menschen Hoffnung zu geben, ist das Schönste, was man tun kann. Für andere da zu sein, sie zu begleiten und im Glauben und in der Hoffnung auf ein Leben in Fülle zu stärken, lassen Nähe
und Zärtlichkeit wachsen. Es erfüllt mich mit großer Freude und auch Demut, wenn ich sehe, wie viele Priester, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Seelsorgerinnen und
Seelsorger sich für ratsuchende, einsame, geflüchtete oder sterbende Menschen einsetzen. Sie alle helfen mit, dass eine Wüstenzeit zur Gotteszeit, zu einer Zeit der Hoffnung wird. Dafür sage ich
herzlich danke.
Ein Zeichen der Hoffnung möchte auch die Katholische Frauenbewegung mit ihrem Schwerpunktthema „Gemeinsam für faire Care-Arbeit“ im Rahmen der Aktion Familienfasttag setzen. Eure Spende kommt dem
Mindanao Migrants Center auf den Philippinen zugute. Die Organisation unterstützt Arbeitsmigrantinnen, die aufgrund finanzieller Not ihre Heimat verlassen müssen. Sie begleitet Betroffene, wenn
sie Opfer von Ausbeutung oder Gewalt werden, und kümmert sich um die Betreuung der daheimgebliebenen Kin[1]der.
Ich lade Euch herzlich ein, dieses Projekt nach Euren Möglichkeiten zu unterstützen.
Liebe Schwestern und Brüder! Die kleinen Hoffnungsschimmer unseres Alltages gründen in der großen Zusage, dass Gott jeden Moment mit uns verbunden ist. In diesem Ver[1]trauen
ist es möglich, „mit hellen Augen auch in den dunkelsten Stunden die Anliegen und Anrufe Gottes [zu] sehen“ (P. Alfred Delp). Hoffnung wächst überall dort, wo wir, gerade auch in schwierigen
Momenten, die Gegenwart Gottes in unserem Leben entdecken, sie bezeugen und uns ihm anvertrauen. Dieses tiefe Gottvertrauen führt uns unmittelbar zum Kreuz, auf das wir in der Fastenzeit
besonders schauen. Das Kreuz Jesu lässt uns hoffen, dass in der Dunkelheit des Lebens, ja mitten in der Wüste und der Nacht des Todes das Licht der Auferstehung sanft zu leuchten beginnt.
Ich wünsche Euch eine gesegnete Fastenzeit, besonders aber „eine lebendige Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ (1 Petr 1,3). Gott segne Euch und Eure Familien.
+Benno Elbs