Advent 2020

 

Herzlich willkommen auf meinem Advent-Blog.

Gerne teile ich Schönes und Wertvolles aus meinem Unterwegssein,

Zugefallenes und Entdecktes aus diesen Tagen;

lade ein zu besonderen Orten und Menschen, Büchern und Heiligen Schriften.

Elisabeth Schwendinger


17. Dezember 2020

 

Die Harfe in den Wind hängen

 

Die Tage eilen dahin.

Würde so gerne sitzen bleiben und schreiben.

Im  Kalender heute die Erinnerung an Erich.

Sein letztes Orgelspiel am Gaudete Sonntag vor 5 Jahren.

Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem.

Sieh dein König kommt zu dir, ja, er kommt der Friedensfürst.

Das spielte er zum Auszug. Wir wussten, dass es unser aller Abschied von ihm war.                                                                           

An der Orgel, im Chor und zu vielen Anlässen hat er uns  mit                                                               seiner ungeheuren musikalischen Begabung über 23 Jahre reich beschenkt.                                                                                                           

Er brauchte keine Noten, er spielte, was er hörte, aufnahm, sah und fühlte. 

Wob alles ein, Freude und Leid, Altes und Neues.

Einfühlsam und tröstend, erfrischend und heiter, was immer es brauchte. Die Essenz vieler Lebensgeschichten hat er aufgegriffen und mit seinem reichen Schatz an Liedern auch der Trauer einen warmen Teppich bereitet.

Von König David wird erzählt, dass er seine Harfe des Nachts in den Wind hängte, damit der göttliche Wind über die Seiten strich und so die Psalmen und Lieder zum Klingen brachte. 

Erich erinnerte mich daran. Er wusste wohl um diese Notwendigkeit, die eigene Harfe in den Wind zu hängen, das Licht hereinzuholen, das Glück und die Kraft aus dieser Musik mit anderen zu teilen. Wer ihn spielen hörte, ahnte, wie innig und nah er lauschte, wie feinsinnig und zart er dem Wort das er hörte, Klänge verlieh. 

Erich.  

 

 

 


13. Dezember 2020

 

Gaudete

 

3. Adventsonntag. 

Es ist dunkel geworden. Die Lichter brennen.

Heute morgen erwacht. Im weichen, warmen Bett, wunderbar ausgeschlafen.

Leises Tropfen auf dem Dachfenster. Der Regen hatte nachgelassen.

Und dann kamen sie mir wieder in den Sinn.

Die Zelte in den Auffanglagern auf Lesbos. 9000 Menschen harren dort aus, seit Jahren. Ein Drittel davon Kinder. Männer, Frauen, Kinder, Jugendliche. Viele ohne Familie. Allein, unbegleitet. Schwangere und Gebärende. Stillende Mütter. Verzweifelte. Jetzt kommt die Kälte und Nässe. Viele sind krank. Manfred Glettler, Bischof aus Innsbruck war mit Helfer*innen vor Ort. Berichtet von himmelschreiendem Elend. Nach dem Brand vor drei Monaten im Lager von Moria sind sie jetzt in Kara Tepe II. Bisher keine Duschen, nur  Kabinen mit Kübeln und kaltem Wasser. Jetzt sollen 15 eingerichtet sein, auch endlich

warmes Wasser und Elektrizität. Wenn es regnet, ist alles nass. Der Winter steht vor der Tür. Wer schon einmal um diese Zeit im Süden war, weiß, wie klamm und feucht alles wird, wenn die Heizungen fehlen, so nah am Meer. 

Die Mütter mit den Babies, den Kleinkindern. Rund um die Uhr in und zwischen Zelten 

leben. Keinen Ausgang haben. Und Corona und die Angst davor, die macht auch hier nicht halt. Es ist unfassbar, hier bei uns in Europa, lassen wir das zu.

Heute bei Jesaja gehört:

er hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen.

… er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit …

Wie die Erde ihr Gewächs hervorbringt und der Garten seine Saat sprießen lässt, so lässt Gott der Herr, Gerechtigkeit sprießen …. (aus Jes.61)

»Wir haben Platz« ist auf den kleinen Wurfzelten zu lesen, die zur Mahnwache im ganzen Land verteilt wurden und heute bei der Sonntagsdemo auf dem Marktplatz in Dornbirn stehen. So viele, die sich nicht an die hässlichen Bilder gewöhnen wollen. Ob dieses immer lauter werdende Rufen bis zu den Regierenden vordringt? 

Ich wünschte, Herr Sobotka und seine Kollegin Gudrun Kugler würden statt parlamentarische Gebetseinladungen zu machen, sich für eine Politik der Menschlichkeit und des Mitgefühls stark machen und Lösungen suchen, die auch den geflüchteten Menschen in Lesbos Zukunft geben. 

Gaudete, freuet euch ... das sollen auch sie wieder erfahren können, die ihre Heimat verloren haben.

 

 

 


Fresco der heiligen Anna aus Farras (8. Jh. n. Chr.)

7. Dezember 2020

 

Anna und die zärtliche Zuwendung Gottes

 

Mit ihr hat es eigentlich begonnen, oder ist weitergegangen, die Empfängnis Mariens und der ihres Enkelkindes Jesus. 

Anna, eine Frau aus Jerusalem, verheiratet mit Joachim, dem Tempeldiener.

Beide leiden, weil sie keine Kinder bekommen.

Die Erzählung aus dem Protoevangelium des Jakobus*, erinnert an Sara, die Frau Abrahams, die beide vergeblich auf Kinder hofften und im hohen Alter noch Isaak erwarten. Isaak, dessen Ankündigung Sara im Zelt zum Lachen brachte.

Joachim hat sich in die Berge zurückgezogen um zu fasten und zu beten. Anna bleibt allein in Jerusalem zurück. Als sie in ihren Garten hinab geht, sieht sie ein Sperlingsnest und das fröhliche Treiben der kleinen Vögel im Lorbeerbaum. Daraufhin wird Anna sehr traurig und klagt über ihre Unfruchtbarkeit. Sie fleht Gott inständig an, er möge ihre Bitte erhören und sie, wie die Mutter Sara segnen und auch ihr ein Kind schenken.

 

Und siehe, ein Engel des Herrn trat zu ihr und sagte: 

»Anna, Anna, erhört hat Gott der Herr deine Bitte. Du wirst empfangen und gebären, und man wird von deiner Nachkommenschaft reden auf dem ganzen Erdkreis ... «

Kurz vorher war ein Engel des Herrn zu Joachim herabgekommen und hatte zu ihm gesagt: »Joachim, Joachim, der Herr hat dein Gebet erhört, steig vom Berg hinunter, denn deine Frau Anna soll ein Kind empfangen.« (...) Dann ging er mit seinen Hirten und Tieren nach Haus. Anna stand an der Tür, und als sie ihn kommen sah, lief sie ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und sagte: »Jetzt weiss ich, dass Gott der Herr mich reich gesegnet hat. Denn ich bin keine Witwe mehr und werde in meinem Leib empfangen.«

Allmählich erfüllten sich für Anna die Monate, und im neunten Monat gebar sie ein Kind. Sie fragte die Hebamme: »Was ist es denn?« Die Hebamme antwortete: »Es ist ein Mädchen.« (...) Und sie legte die kleine an die Brust und gab ihr den Namen Maria.

 

Viola Raheb hat uns 2017 im Rahmen unserer Ausstellung  »ma donna« (von Gabriele Lulay) dieses Evangelium gelesen und so herzwarm kommentiert. 

Wie tief wir dieses »du wirst einen Sohn gebären« in uns haben ist mir dabei klar 

geworden und wie erfrischend gut es tut und wie notwendig es ist, auch an Anna zu erinnern, die freudige Botschaft zu hören »Es ist ein Mädchen«.

 

*Das Protoevangelium des Jakobus erzählt vom Leben Mariens und wird in der syrischen Kirche besonders verehrt.

 

 

 


5. Dezember 2020

 

Patron der »Beherzung«

 

Später Abend. Die Nikolaus Säcklein sind verteilt, viele fleißige Hände haben sie auf den Weg gebracht. Die Frauen in Nepal, die aus gefärbter Wolle den Herzen ihre Form gaben, sie mit kleinen Glasperlen bestickten und den Schneemännern ein fröhliches Aussehen verliehen; Frau Hage, die uns diese sorgsam ausgesucht und liebevoll verpackt, an uns weiterschickte ... sie alle machten die Freude möglich.

Die kleinen Geschenke - sie sollen an die Dankbarkeit erinnern, die wir morgen bei unserem Patrozinium des Heiligen Nikolaus auch feiern wollten: Den Dank für alle Frauen und Männer, die mit Hand und Herz beitragen, dass unsere Kirche sauber und schön gepflegt ist, die da sind, wenn Hilfe nötig ist, die mitdenken und mitgehen, ihre Zeit und ihre Fähigkeiten einbringen, wo immer sie mögen. 

So werden wir das morgen aber nicht tun können. Miteinander feiern, Agape halten. 

Aber die Gewissheit, dass wir beherzt unseren Weg weitergehen können, die bleibt uns

dennoch. Der Heilige Nikolaus über dem Turmeingang unserer Kirche ermutigt dazu. 

Er erzählt uns, wie Mitgefühl und Großherzigkeit die Welt verändern und der Liebe ein Gesicht geben. Im Kleinen und im Großen.

Peter Handke hat in seinen Tagebuchaufzeichnungen* geschrieben:

Einen Patron (eine Patronin) der »Beherzung«, den oder die würde ich beim Tun immer wieder brauchen. (13.Dez.)

Wie schön, haben wir einen solchen! 

Peter Handke, aus »Gestern unterwegs« 

 

 

 


1. Dezember 2020

 

Leise und sanft

 

Bald Mitternacht.

Die Buchstaben schimmern auf dem schwarzen Papier. 

Ein Wort von Karl Rahner. Hatte es mir aufgeschrieben

und an die Pinwand geheftet. Nicht abgenommen, als 

Weihnachten vorbei war. Es gilt ja wohl darüber hinaus.

Gestern, auf der Lassallehaus-Homepage wieder gelesen.

Nun liegt es vor mir. 

 

Höre, mein Herz, 

Gott hat schon begonnen, 

seinen Advent in der Welt 

und in dir zu feiern. 

Leise und sanft,

so leise,

dass man es überhören kann,

hat er die Welt 

und ihre Zeit schon

an sein Herz genommen,

ja, sein eigenes unbegreifliches Leben

eingesenkt in diese Zeit.

Karl Rahner  

 

 

 


26. November 2020

 

Maranatha

 

Letzte Novembertage. Im zweiten Lockdown.

Die Adventkränze liegen vor den verschlossenen Läden bereit. 

Meine Kerzen brennen schon länger. Drei, in zarten Beerentönen. 

Geschenkt bekommen. Eine vierte dann später, mit oder ohne Tannengrün.

Warten. Ja. Maranatha* … Herr komm doch wieder … so sangen wir oft im Advent. 

Nun warten wir alle, über den ganzen Erdball zieht sich ein Warten und Hoffen.

Komm doch wieder, unbeschwertes Leben in überquellendem  Durcheinander von Menschen.

Komm doch wieder, Sorglosigkeit in der Begegnung, beim Näherkommen, Umarmen, Küssen, Berühren, Anfassen, Ansprechen und miteinander am Tisch sitzen. 

Komm doch wieder, Freude am unterwegs sein, reisen und Menschen besuchen.

Komm doch wieder, Lust am Spiel und Klang und Stimmengewirr auf den Bühnen und in den Hallen.

Komm doch wieder, Feierlichkeit, Orgeltöne und Festgesang in unseren Kirchen, Kinderlieder und Krippenspiele. 

Komm doch wieder, Zuversicht und Hoffnung, dass wir das durchstehen, jede und jeder, alle gemeinsam, im miteinander Teilen

Maranatha, … dieser alte, sehnliche Ruf im Advent, erfüllt wieder mein Herz. 

 

*Maranatha  »unser Herr, komm!«  aramäischer Ausruf im frühen Christentum, in Erwartung auf die baldige Wiederkehr Jesu